Ich bin nicht eure Schwester

Wie ihr vielleicht wisst, lehne ich als Pflegekraft die Anrede „Schwester“ ab. Weil sie weder für das Berufsbild, noch für uns Pflegerinnen zeitgemäß ist.

Wir sind doch nicht mehr im Kloster!

Die Pflege hat sich bereits vor langer Zeit aus der Ordenstradition weiterentwickelt und entwickelt sich noch weiter hin zu einer eigenständigen Profession. Das gilt auch für die Pflegenden selbst, die kein Gelübde mehr ablegen und sich zum Großteil nicht mehr als aufopfernde Diener*innen für die Alten und Kranken verstehen. Sie bekommen für ihre Arbeit ein Gehalt und haben das Recht auf einen verbindlichen Dienstplan und geregelte Freizeit (eigentlich – in der Praxis sieht das bekanntermaßen häufig anders aus).

Es gibt keinen Grund mehr, an der Anrede „Schwester“ (die ohnehin nur für Frauen gilt) festzuhalten. Sie sind Pflegerinnen. Denn Pflege ist das was sie tun und das was sie gelernt bzw. sogar studiert haben. „Schwestern“ sind Ordensfrauen und Diakonissen und nur die sollte man meiner Meinung nach so anreden. Werden ja auch gerne als „richtige Schwester“ bezeichnet, wenn sie als solche in der Pflege sichtbar sind.

Für Männer ist es ganz selbstverständlich „Pfleger“ genannt zu werden, unter anderem weil die „Wärter“-Bezeichnung aus dem Kontext der früheren Psychiatrie-Pflege nun wirklich nicht mehr zeitgemäß ist. Warum sollte das nicht auch für die Frauen gelten?

Ironischerweise wird mir gerade von männlichen Kollegen erklärt, dass sie kein Problem mit der „Schwestern“-Anrede haben (ach, ach!).

Vertrauen oder Vertrautheit?

Und dann soll diese „Schwester“ angeblich Vertrauen in einer Pflegebeziehung vermitteln. Wenn diese „Schwester“ aber so wichtig ist, frage ich mich ob ausgebildete Pfleger kein Vertrauen aufbauen können, oder ob Frauen als ausgebildete Pflegerinnen kein Vertrauen genießen. Und geht es dabei wirklich um Vertrauen in meine Kompetenzen als Fachkraft oder reden wir hier nicht eigentlich von Vertrautheit, weil wir es einfach gewohnt sind Pflegerinnen als Schwestern zu bezeichnen?

Nur noch Pfleger

In journalistischen Berichten über die Pflege kommt die „Schwester“ immer seltener vor. Was ich sehr begrüße. Das ganze hat allerdings eine Kehrseite. Aufgrund der gängigen Praxis des generischen Maskulinums, ist mittlerweile nur noch von „Pflegern“ die Rede. Ich bin mir offen gestanden nicht ganz sicher, ob so auf Dauer nicht die Frauen als Fachkräfte unsichtbar gemacht werden. Abgesehen davon, wird damit auch keine Alternative zur „Schwester“ genannt. Hier weiß ich leider auch keinen anderen Rat, als die Sensibilität für inkludierende Sprache zu fördern und zum Beispiel von Pfleger*innen oder Pflegefachpersonen zu sprechen.

Legt diese antiquierte Anrede endlich ab!

Die allgemeine Berichterstattung ist das eine. Aber nachhaltige Veränderungen müssen wir selbst im Berufsalltag leben. Daher kann ich nur an meine Kolleg*innen appellieren: Stellt euch nicht als „Schwester X“ vor, sprecht nicht von „der Schwester“ sondern vielleicht von eurer Kollegin. Lasst den Titel weg oder stellt euch gleich mit dem Nachnamen vor – und glaubt mir, das macht was mit eurer Haltung und eurer Wahrnehmung auf andere. Und bislang habe ich sogar eher gute Erfahrungen damit gemacht. Selbstverständlich sollte man natürlich das Setting nicht aus dem Auge verlieren – in einigen Bereichen kann es ja tatsächlich sinnvoll sein, sich mit seinem Vornamen vorzustellen.

Aber es wird Zeit die „Schwester“ endlich abzulegen. Ich bin die Schwester meiner Brüder. Nicht die meiner Patient*innen.

Autor: mauerunkraut

geborene Trixi | wohnhaft im sogenannten Internet |

18 Gedanken zu „Ich bin nicht eure Schwester“

  1. Noch abstruser finde ich, dass ich noch NIE mit „Pfleger Stefan“ sondern immer nur mit „Herr Pfleger“ angesprochen werde. Warum hier eine Unterscheidung nach Geschlechtern gemacht wird……. pffffffff…… Die Forderung danach, mit Nachnamen angeredet zu werden halte ich für sinnhaft, wir tun es mit den Patienten ja auch und bei Ärzten ist es selbstverständlich. Weg vom Helferimage!

    1. Ich erlebe hin und wieder, dass nicht nach „dem Pfleger der gestern schon da war“ gefragt wird, sondern nach dem „netten jungen Mann“ – die anderen bleiben Schwester, egal wie nett oder jung 🙁
      Danke für deinen Kommentar 🙂

  2. Jaa, also Schwester find ich sexistisch! Jawohl! Aber nur ‚Pfleger‘? Also das geht halt auch nicht, weil da geht die Frau im Beruf ja unter! Jeder muss ja wissen, dass ICH eine Frau bin UND ICH verlange nichtsdestoweniger eine weibliche Form, obwohl ich mich von der bisherigen Alternative distanzieren möchte, denn das ist nur logisch, nicht wahr? Einen eigenen Vorschlag für eine passende Alternative kann ich hier leider auch nicht bieten, aber ich musste mich nun eben mal kräftig darüber aufregen!

  3. Interessanter Artikel. Ich werde es beherzigen, wenn ich in Zukunft Das Wort „nurse“ in einem meiner Projekte ins Deutsche übersetze. 🙂

    Das Thema Vertrauen und Vertrautheit finde ich übrigens spannend. Das scheint oft verwechselt bzw. irrtümlich gleichgesetzt zu werden. Dabei braucht es für Vertrauen nicht notwendigerweise Vertrautheit – manchmal kann es, glaube ich, sogar hinderlich sein, wenn zu viel Nähe hergestellt wird. (Einer der Gründe, warum ich in meinem Beruf mittlerweile deutlich seltener das „du“ anbiete).

    1. Vielleicht schaffe ich es ja mal Synchronisations-Studios darauf hinzuweisen. „Nurse“ wird fast grundsätzlich mit „Schwester“ übersetzt. Das mit Nähe und Distanz ist so eine Sache, für die man auch keine allgemeingültige Regelung finden kann, weil man manchmal oft im Einzelfall entscheiden muss. Mir wurde auf Twitter ein interessanter Text zugespielt, der sich mit der Nähe/Distanz in Bezug auf „Du und Sie“ befasst: http://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1024/1012-5302.17.2.73

  4. Mann kann auch aus einer Mücke einen Elefanten machen. Ich würde mich mit 26 noch nicht zu den älteren zählen und kenne es auch noch als Krankenschwester und Krankenpfleger. Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen das es für irgendwen beleidigend sein könnte und werde es weiter so machen.

    1. Es geht auch nicht darum, dass die Bezeichnung beleidigend wäre, sondern, dass sie einfach unpassend ist. Die Professionalisierung unseres Berufsstandes erfordert von uns Pflegenden die Reflexion unseres Berufs- und Rollenverständnisses. Auch wenn niemand dazu gezwungen werden kann, wäre es dennoch schön, sich ein paar Gedanken darüber zu machen. Zumal deine Kolleginnen ja nicht mehr „Krankenschwester“ auf ihrem Examen stehen haben 😉

  5. Kleine Anekdote am Rande, der Chefarzt in dessen Abteilung ich als Pflegekraft in der Kinderanästhesie war unterhält sich freundlich mit mir, nach einiger Zeit als die Patientin schläft fragt er mich „Ja wie nenne ich sie denn?“ Ich etwas irritiert, schließlich habe ich ein Namensschild, wiederhole meinen kompletten Namen. Er meint nur „Ja aber wie nenne ich sie denn nun, dies (deutet auf eine ältere Kollegin) ist etwa die Schwester Monika. Aber Bruder Nils? Pfleger Nils?“ Ich Frage entspannt zurück ob er jetzt für mich der Heinz ist – daraufhin kommt nur ein „Ahja Herr ‚Nachname‘, schön das sie bei uns sind!“

    Ich verstehe eh nicht wieso der Beruf Teil der Anrede sein soll. Man geht ja auch nicht in die Werkstatt und sagt „Frau Mechaniker“ oder sowas.

  6. Ich habe mich schon damals in der Ausbildung immer mit meinem Nachnamen vorgestellt. So mache ich das seit Jahren, bekomme aber natürlich immer wieder mal verwunderte Blicke von meinem Kolleg*innen und auch Angehörigen/Patienten. Dabei habe ich aber durchaus die Erfahrung gemacht das mir mehr Respekt entgegengebracht wird als Pflegekräften welche sich mit Schwester/Pfleger „Vorname“ … anreden lassen. Auch scheine ich für viele dadurch automatisch auf einem höheren Kompetenzlevel zu stehen. Aber das sind subjektive Beobachtungen meinerseits, allerdings zum Nachahmen empfohlen.

    Was auch wirklich erstaunlich ist, mein Nachname ist ein wenig komplizierter und beim erste Mal wirklich nicht so gut zu verstehen als zb Müller, Mayer usw. Dennoch schafft es kaum ein Angehöriger/Patient sich diesen zu merken, selbst wenn ich diesen Menschen über Wochen pflege.
    Aber die kompliziertesten Nachnamen meiner Ärztlichen Kollegen, die sitzen nach einem 5 Minuten Gespräch. Witzig. 😉

    1. Ja, ähnliche Erfahrungen mache ich dabei auch 🙂 Ich glaube auch, dass man sich die Namen der Pflegekräfte merken kann, wenn es Normalität ist, dass sie Namen haben 🙂

  7. Wirklich ein interessanter Beitrag! Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich des Öfteren die Pflegerinnen, auch als „Schwestern“ bezeichne. Jedoch ohne mir wirklich tiefgründiger Gedanken darüber zu machen.
    Aber dennoch habe ich ein paar Fragen dazu bzw. Anmerkungen. Laut Wikipedia ist der Begriff Krankenschwester bis 2004 die offizielle und gesetzlich geschütze Bezeichnung gewesen. Nach meinem Verständnis wurden die alten Bezeichnungen nicht ersetzt und gelten weiter als diese geschützte Berufsbezeichnung. Ist es demnach nicht falsch, ältere Kolleginnen Pflegerinnen zu nennen, da per Gesetz diese Krankenschwestern sind und im damaligen Kontext eben dies als Bezeichnung der Professionalität galt. Demnach gibt es bestimmt auch viele Angestellte, welche „Krankenschwester“ bezeichnet werden wollen. Wie schafft man es da einen Kompromiss zu finden? Wäre es für viele nicht eine Entwertung ihres Abschlusses, nicht mehr „Schwester“ genannt zu werden?
    Aber prinzipiell gebe ich dir recht, es ist der Beruf und nicht der Titel, ich bin der Meinung eine Pflegerin sollte mit „Frau *Nachname*“ angesprochen werden.

    1. Ich sehe da keinen Widerspruch, weil es für mich ein Unter ist, ob ich mich als „Frau Müller, Krankenschwester“ vorstelle oder als „Schwester Gertrud“. Und auch als Krankenschwestern sind sie keine Ordensfrauen, sondern werden dem Pflegedienst zugeteilt. Ich glaube daher auch nicht, dass es eine Entwertung ist. Vielmehr sollte das auch in dem historischen Kontext gesehen werden.

  8. Meine Sicht ist da etwas ambivalent. Meine Berufsbezeichenung heißt ja schon von Hause aus „Pflegerin“. Und es ist völlig korrekt was du beschreibst.
    Aber dennoch fühle ich mich nicht herabgesetzt wenn ich „Schwester“ genannt werde. Mag daran liegen, dass ich Menschen betreue, bei denen es völlig sinnlos wäre, wenn ich sie dahingehend argumentativ korrigieren würde. Sie sehen da einen Menschen in Weiß gekleidet, mit Namensschild und Medikamenten, und assoziieren: „Die kennt sich hier aus, die ist für mich da, die hilft mir. Also: Schwester.“
    Kommt allerdings auch darauf an, wer mir gegenübersteht. Vorgesetzte würden mich nie so nennen. Bei denen sind wir Mitarbeiter, Kollegen, Fachkräfte. Und auch auf den Hinweisschildern am Büro, wo jeden Tag steht, wer heute Schichtleitung, also verantwortlich für den Tagesablauf ist, steht niemals „heute für Sie da: Schwester + Vorname“, sondern: „Ansprechpartner: Fr bzw Herr xy“. Und wenn mich Angehörige oder Ärzte, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten und die uns gut kennen, mit Vornamen ansprechen, fasse ich das nicht als Respektlosigkeit auf.
    Kommt dagegen ein wildfremder Mensch und lässt jeglichen Respekt vermissen, verbitte ich mir das natürlich.
    Ich denke, es ist auch ein Unterschied, wo man arbeitet. In einem Heim, wo die Menschen leben, geht es schließlich auch darum, dass die sich dort heimisch fühlen. In Krankenhäusern ist das sicher anders. Ein „Schwester + Vorname“ (auch in Kombination mit „Sie“) gibt ein familäreres Gefühl als ein „Fr. xy“ und schafft eine vertrauenvolle Basis, und auch das ist bedeutender Teil einer professionellen Betreuung von Demenzkranken. Für mich ist das kein Grund, mich herabgesetzt zu fühlen, sondern wie gesagt ein Zeichen von Vertrauen und guter Zusammenarbeit. Ein Aspekt, der auch nicht unterschätzt werden darf.

    1. Ich erwähnte es schon mal zu einem anderen Kommentar: es geht nicht darum, dass man/frau sich herabgesetzt fühlt, sondern, dass die Bezeichnung einfach nicht mehr passend und zeitgemäß ist.
      Sicherlich hast du aber Recht, dass man sich überlegen muss, wer vor einem ist. Wobei ich nicht nachvollziehen kann, wie eine familiäre Atmosphäre entsteht, wenn ich eine nichtverwandte (fremd ist man sich in der Langzeitpflege ja nicht mehr) mit Schwester Vorname anspreche.

  9. Wie gesagt, es kommt drauf an, mit wem man redet. Den bewohnern kann man das nicht mehr erklären. Namen können sie sich meist ohnehin nicht merken. Manche können noch lesen, die schauen auf das Schildchen.
    Und bei Angehörigen oder Ärzten macht das auch keiner bewußt. „ich muß jetzt hier ne tolle Familienathmossphäre schaffen, also rede ich einfach alle beim Vornamen an“. So respektlos ist ja keiner. Es ergibt sich. Und ob das zeitgemäß ist, darüber macht sich im Alltag auch keiner Gedanken, da stehen einfach andere Dinge im Vordergrund.
    Das politische Signal finde ich schon wichtig und ich will bei offiziellen Anlässen auch nicht als „Schwester Hilde, Pflege“ bezeichnet werden, sondern als „Fr. Müller-Lüdenscheid, Pflegefachkraft“. Und das passiert auch. Politik und Alltag sind eben nicht immer deckungsgleich.

    1. Muss auch nicht. Ich bin aber dennoch der Meinung, dass man zunächst einmal von Frau Müller-Lüdenscheid ausgegangen wird und es dann meinetwegen mit der persönlicheren Ansprache kommen kann. Aber immer mit der Prämisse, dass die Pflegenden die Situation, die Beziehung und ihre Rolle darin reflektieren.

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