Dieses Wochenende war für mich sehr aufregend und da ich eigentlich Kurzurlaub gemacht habe, konnte ich das alles noch gar nicht richtig verarbeiten.
Wer mir auf Twitter folgt, weiß es ja bereits: am Freitag erschien mein Gastbeitrag zum Thema Pflege auf meinem Lieblingsblog kleinerdrei.de, der bis jetzt auch ordentlich Zuspruch bekommt. So viel, dass er heute sogar auf dem Portal jetzt.de veröffentlicht wurde. Woohoo! Da ist man mal ein Wochenende in Berlin und schon macht man Blogger-Karriere!
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich nochmal beim Team von kleinerdrei und insbesondere bei Juliane Leopold, die mit mir den Text perfekt gemacht hat, bedanken. Ihr habt mein Wochenende sehr awesome gemacht <3
Ich freue mich sehr, dass dieser Artikel und somit auch das Thema Pflege soviel Aufmerksamkeit bekommt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber nun auf den #equalcareday am 29. Februar 2016 aufmerksam machen. Es handelt sich hierbei um eine Initiative von Almut Schnerring, die einige vielleicht durch die Rose-Hellblau-Falle kennen. Es geht darum auf die mangelnde Wertschätzung von Fürsorge-Tätigkeiten aufmerksam zu machen, die noch immer überwiegend von Frauen geleistet wird und das sehr häufig umsonst und damit häufig auch mit Einbußen im Berufsleben und später in der Altersabsicherung. Dabei geht es nicht nur um Pflege, sondern auch um die Erziehung von Kindern und die Betreuung von BeHinderten. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn sich der andere an der Aktion beteiligt. Sei es, in euren Blogs oder euren Social-Media-Seiten. Und vor allem, indem ihr in eurem Umfeld über dieses Thema spricht und diskutiert.
Samstag Abend, nach der Spätschicht. Ich wartete wie andere auf die nächste Bahn nach Hause. Unweit von mir standen zwei Men of Color*, die sich lebhaft unterhielten. Dann drehte sich einer von beiden zu mir und machte einen Witz über die Kölner Bahnen. Ich war ein wenig irritiert, allerdings nur weil ich in Köln relativ selten von Fremden angesprochen werde und so lustig war der Spruch auch nicht, aber ich lächelte höflich. Plötzlich werde ich von der anderen Seite von einem Mann mittleren Alters angesprochen: „Belästigen dich die beiden?“ Von einer Sekunde auf die andere wurde es eisig um uns herum. Ich sage „Nein.“ Nach kurzem Zögern, blickte er wieder nach vorn und wartete auf seine Bahn. Die beiden Männer sprachen nicht mehr mit mir.
Bekommste von zwei PoC nen Witz erzählt, zack! wirste gefragt, ob sie dich belästigen. #leiderwahr
Gut, die Silvesternacht ist noch nicht so lange her und deswegen ist es nicht verwunderlich, wenn die Leute nun in Sachen Belästigung und Übergriffen genauer hinsehen. Und eigentlich ist es ja auch wünschenswert, dass in der Öffentlichkeit Belästigung nicht mit einer harmlosen Flirterei verwechselt wird und endlich auch dafür sensibilisiert ist. Und zwar unabhängig von der Hautfarbe der Beteiligten. In diesem Fall blieb ich allerdings etwas ängstlich und ratlos: Hätte der Mann ebenso besorgt nachgefragt, wenn die beiden Männer weiß gewesen wären? Oder wenn ich selbst eine Person of Color wäre? Erleben nicht-weiße Männer solche Situationen zur Zeit öfter?
Ich muss unweigerlich an frühere Situationen denken. An diesen betrunkenen (weißen) Mann zum Beispiel, der mich über ein ganzes Stück in der Stadt verfolgte und mich gerne „wohin mitnehmen“ wollte. Ich vertrieb ihn, nachdem ich ihn aggressiv von mir weg an eine Häuserwand schob – etwas, was ich mich wohl nicht getraut hätte, wäre er nicht sehr betrunken gewesen, wäre es nicht heller Tag gewesen und wären nicht gerade einige Leute unterwegs gewesen. Zuvor weichte ich ihm mehrfach aus, wenn er versuchte seinen Arm um mich legen oder mich zu ihm zu ziehen, von den Leuten die uns entgegen kamen oder unseren Weg kreuzten reagierte niemand. Aber einige hoben die Köpfe, als mich der Typ nach meiner Abwehraktion laut beschimpfte. Ob die Leute wenigstens jetzt nach Silvester in Köln reagieren würden? Wenigstens einmal besorgt nachfragen? Auch bei Deutschen?
Mein Radiowecker weckte mich mit der Nachricht, dass Ausländer in der Innenstadt angegriffen wurden. Und seitdem habe ich Angst davor, dass wir uns mittlerweile in einer Spirale befinden, die sich unaufhaltsam und immer schneller weiter drehen wird. Natürlich möchte ich nicht, dass Menschen Übergriffe und Vergewaltigung erleiden müssen, ohne dass es für die Täter_innen Konsequenzen hat. Aber ich möchte auch nicht, dass Menschen aufgrund ihres ausländischen Aussehens für gefährlich gehalten und deswegen diskriminiert und angegriffen werden.
Tatsächlich war ich von meinem Dienst an Weihnachten, für den ich mich sogar freiwillig eingetragen habe, ein wenig angenervt. Zum Einen, weil genau deswegen mein Verlobter die Feiertage alleine zu Hause (mit seiner PlayStation) verbringen musste. Zum Anderen, weil ich mich als Krankenpflegerin in letzter Zeit nicht wertgeschätzt fühle.
Vor allem außerhalb der Klinik
Ich überrasche noch immer Menschen damit, dass ich „intelligent“ bin – weil Pflege noch immer oft als Beruf gesehen wird, in dem Fachwissen und Denkvermögen nicht notwendig sei. Insbesondere mein medizinisches Fachwissen muss ich gerne mal mit Wikipedia-Artikeln belegen.
Irgendwie ist auch das Konzept „Schichtarbeit“ gänzlich unbekannt: ich muss immer noch Leuten erklären, dass man während seines Nachtdienstes nicht schläft, sondern tatsächlich arbeitet UND deswegen auch tagsüber schlafen MUSS. Oder, dass man Abends früh schlafen gehen muss, weil man am nächsten Tag um halb 5 Uhr aufstehen muss. Auch am Wochenende.
Und da ich eher mit Krankheit, Tod und nicht zuletzt auch mit dem Wahnsinn: Krankenhaus™ konfrontiert bin, kann ich in Unterhaltungen auch nur selten lustige Anekdoten aus meinem Arbeitsalltag zum Besten geben.
Natürlich mag ich meinen Beruf
Mittlerweile ist ja sehr vielen bekannt, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht immer die besten sind. Dennoch muss man sich als Pflegende immer wieder dafür rechtfertigen, diese öffentlich anzusprechen. Natürlich hab ich mir den Beruf irgendwann einmal ausgesucht. Natürlich mag ich den Beruf auch noch. Aber muss man deswegen bestehende Verhältnisse akzeptieren? In der Pflege herrscht Fachkräftemangel unter anderem wegen der Arbeitsbedingungen. Und durch den demografischen Wandel werden in Zukunft noch mehr Pflegekräfte benötigt werden. In einem YouTube-Kommentar wurde ich gefragt, warum es mich überhaupt interessiert, was andere über meinen Beruf denken (in dem Video wurde unter anderem Pflege mit Prostitution verglichen). Es ist auch immer wieder aufs Neue ernüchternd, wenn meine schlechten Wortwitze auf Twitter eher Verbreitung finden als Anliegen und Petitionen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern – insbesondere, weil niemand davor sicher sein kann, irgendwann in irgendeiner Form auf pflegerische Versorgung angewiesen zu sein.
Solche Dinge vermiesen einem nicht nur den Spaß, sondern kratzen auch am eigenen Selbstwert. Wie soll man sich auch in einer Umgebung fühlen, die zwar die eigenen Leistung beanspruchen möchte, diese aber nicht wertschätzt oder die, die sie ausführt, nicht achtet? Einige der Nachrichten, die auf KWiNKs Aufruf bei mir eintrudelten, heiterten mich aber tatsächlich wieder auf. Sie erinnerten mich auch an ein Phänomen, dass in meinem Beruf immer wieder auftritt: dass sich die beruflich Pflegenden von der Gesellschaft nicht wertgeschätzt fühlen, Studien aber immer wieder belegen, dass die Pflegeberufe im Ansehen hoch im Kurs stehen. Und vielleicht muss man, wenn man sich schlecht fühlt, auch daran erinnert werden, dass man anderen Menschen doch irgendwie wichtig ist.
Und deswegen: Danke an alle eure Weihnachtswünsche und Danke an Monsieur le KWiNK, der per Twitter diesen Aufruf startete.
Vergesst aber bitte nicht auch all die anderen, die im Gesundheitswesen für euch da sind, die Rettungsdienste, die Labor- und RöntgenassistentInnen, die Altenhilfe, die Feuerwehren usf usw (ihr wisst was ich meine). Und zwar nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr 24/7. Ihr müsst ihnen jetzt nicht regelmäßig einen Tweet widmen. Aber vielleicht kennt ihr jemanden in eurer Umgebung in einem dieser Berufe und verabredet euch mal werktags mit ihm oder ihr? Vielleicht könnt ihr euch auch ein wenig in gesundheitspolitische Themen einbringen, Beiträge und Petitionen teilen oder auch privat darüber reden, auch wenn ihr gerade selbst nicht davon betroffen seid?
Und weil der letzte Absatz nun doch ein wenig undankbar klang: Danke.