Pflegeberufung

Beruf kommt von Berufung, heißt es so schön, und bei manchen Berufen ganz besonders: Pflege zum Beispiel. Zumindest wird mir als berufstätiger Pflegerin ja gerne mal erklärt, sehr häufig von Menschen, die nicht aus der Pflege kommen, wie wichtig Berufung und Leidenschaft sei, um meinen Beruf auch gut und richtig auszuüben.

Berufung wird im spirituellen Kontext als ein „innerer Ruf“ zu einer bestimmten Lebensaufgabe verstanden und fügt sich natürlich auch in das Bild der beruflichen Pflege ein, das noch immer sehr stark von der Ordenstradition geprägt ist. Aber auch in das Bild von Pflege als undankbarem Job: körperliche und psychische Belastung, bescheidene Arbeitszeiten, Kontakt mit Ausscheidungen und nackten Körpern und das alles für ein verhältnismäßig geringes Gehalt. Wer so einen Beruf ergreift, der muss doch eine innere Motivation haben, die einen dazu antreibt.

Und manchmal glaube ich auch bei den Phrasen zur Berufung zur Pflege auch eine gewisse Erwartungshaltung wahrzunehmen: „Lieb gefälligst deinen Job, trotz aller Widrigkeiten die er mit sich bringt.“ Unter meinem Video „Quotes on nursing“, in dem ich sehr unhübsche Statements über den Pflegeberuf vorgelesen habe, wurde ich sogar gefragt, ob ich überhaupt Freude an meinem Job hätte, wenn mich interessiert was andere über meinen Beruf denken. Kurzum: Beschwer dich nicht über deinen Job.

Vielleicht liegt es daran, dass man den Pflegeberuf nur noch als belastenden und undankbaren Job begreift und sich gar nicht vorstellen kann, dass er ohne schlechte Arbeitsbedingungen und ohne Ausbeutung funktionieren kann. Oder will.

Aber gut, das Wort „Beruf“ hat ja tatsächlich seinen Ursprung im Wort „Berufung“, damals als der erlernte Beruf tatsächlich auch Lebensaufgabe war, für die einen der Herrgott vorgesehen hat. Damals, als man nicht immer so etwas wie eine freie Berufswahl hatte (und auch nicht jede Ordensfrau ist damals freiwillig in einen Orden eingetreten). Aber nicht nur deswegen ist dieses Bild vom „Beruf als Lebensaufgabe“ nicht mehr zeitgemäß – schon gar nicht in unserer schnelllebigen Zeit und den Entwicklungen der Digitalisierung, die wir heute noch gar nicht absehen können.

Von diesen Entwicklungen und Veränderungen ist auch die berufliche Pflege betroffen. Die Digitalisierung wird auch in diesem Bereich Einzug halten und die Arbeitsweise und Organisation von Pflege beeinflussen. Aber schon allein die demografische Entwicklung, immer verschiedenere Lebensläufe und medizinische Fortschritte machen Veränderungen und Paradigmenwechsel in der Pflege zwingend notwendig. Und angesichts eines höheren Renteneintrittsalters, werden wir nicht umhin kommen die Arbeitsweise der Pflege dem anzupassen.

Nichts gegen Berufung. Berufung ist aber für mich etwas persönliches und relativ unabhängig von der Berufswahl. Sie ist eine Aufgabe, die einen ausfüllt und einem Sinn gibt. Und sie muss noch nicht mal in Stein gemeißelt sein, sie kann im Laufe eines Lebens wieder verschwinden, sich verändern oder durch eine andere ersetzt werden. Ich beglückwünsche jeden, derdie eine solche Aufgabe oder Tätigkeit findet, die einen auf diese Weise ausfüllt und im Leben antreibt. Aber ich möchte nicht, dass von mir erwartet wird, dass ich mich mit meinem erlernten Beruf auf diese Weise identifziere und deswegen die Haltung gegenüber meiner Arbeit und die Arbeitsbedingungen zu akzeptieren habe.