Einsame alte Weihnacht

Das Internet ist mal wieder zu Tränen gerührt. Grund ist der Weihnachtsclip den EDEKA letztes Wochenende veröffentlicht hat und über den nun jeder spricht. Dabei auch sehr kontrovers, täuscht der arme alte Mann doch seinen Tod vor, damit seine Kinder #heimkommen. Aber das soll hier nicht Thema sein.

 Nun ja, es ist Weihnachtszeit und da sind wir alle emotional sehr empfänglich für Botschaften über Liebe, Freundschaft und Familie. Das weiß auch die britische Ladenkette John Lewis, die bereits seit einigen Jahren sehr bewegende Weihnachtsclips veröffentlicht. Dieses Jahr übrigens auch mit einer Weihnachtsgeschichte über einen einsamen alten Menschen #ManOnTheMoon

 Das Thema dieses Weihnachten ist also „Einsamkeit im Alter“. Finde ich gut, denn dieses Thema findet weitaus weniger Beachtung, als es sollte. Und es ist kein privates Schicksal alter Menschen und ihrer meist verstreuten bzw. nicht mehr vorhandenen Familien. Denn dieses Schicksal werden voraussichtlich immer mehr Menschen teilen. Stichwort: demografische Entwicklung. Aber auch: Mobilisierung und Globalisierung unserer Arbeitswelt.

Die Menschen werden älter und ihre Kinder verstreuen sich in alle Winde wenn sie mal aus dem Haus sind. Und sie müssen sich verstreuen, denn der Arbeitsmarkt fordert Flexibilität. Deutschlandweit. Weltweit! Und nicht nur örtlich. Schließlich sollen auch während der Feiertage etliche Dienstleistungen verfügbar sein. Das funktioniert nur, wenn Leute an Feiertagen arbeiten oder wenigstens Bereitschaft haben. Da wird es schwer, ein Familien- und Sozialleben aufrecht zu erhalten, zumindest so wie wir es kennen.

Natürlich spielen beide Videos auch mit unseren Gefühlen. Sehr viele schrieben beim Teilen, dass sie sogar weinen mussten. Und wenn die Geschichten einige Menschen wieder daran erinnert, mal wieder etwas Zeit mit ihren Eltern und Großeltern zu verbringen, dann ist das natürlich schön. Aber dennoch müssen wir uns mehr mit dem großen Ganzen auseinandersetzen.  Wie gestalten wir unser Familienleben in der jetzigen Arbeitswelt? Wie gestalten wir die Arbeitswelt in Zeiten von zerstreuten Familien und Freundschaften? Wie bewahren wir alte Menschen vor der Einsamkeit? Wie unterstützen wir sie in ihrem Alltag?

Diese Fragen können wir nicht privat für uns lösen, weil sie jeden von uns betrifft. Früher oder später.

Quotes on nursing – Nachlese

Ich bin ein wenig überwältigt. Als ich vor ein paar Tagen das Video „Quotes on nursing“ hochlud, hätte ich nicht mit dieser Resonanz gerechnet. Über 1000 Views innerhalb von 24 Stunden! – ja, das ist für meine mickrige Reichweite ein kleines Highlight.

Ich hatte ja schon die Befürchtung, dass das Thema doch ein wenig zu spezifisch für meinen Kanal ist. Andererseits las ich hier ja auch ein paar sehr polarisierende Beiträge vor und die Pflege-Szene ist mittlerweile auch immer mehr in den Sozialen Medien vertreten (Stichwort: #Pflegestreik). Außerdem genießt Pflege innerhalb der Bevölkerung ein besseres Image, als das Video dies vermuten lässt (was statistisch belegt ist)

Ich glaube durchaus, dass den meisten bewusst ist, wie wichtig dieser Beruf ist und dass wir uns der Frage stellen müssen, wie wir in Zeiten des medizinischen Fortschritts eben auch der Frage stellen müssen, wie wir Menschen mit diversen Krankheiten und Behinderungen versorgen wollen. Schon jetzt nehmen Familienangehörige ein großes Armutsrisiko auf sich, weil sie einen Angehörigen versorgen. Andere greifen auf die sog. „Polin“ zurück, also einer Frau aus den anliegenden Ostblockländern, die sich zu Hause rund um die Uhr um einen Pflegebedürftigen kümmern – und dieses rund um die Uhr kann dabei wörtlich genommen werden.

Natürlich wird der Berufsstand Pflege seinen großen Teil leisten müssen und sich aus dem veralteten altruistischen Weltbild emanzipieren müssen. Aber auch, wer nicht in diesem Beruf arbeitet, kann die Pflege unterstützen, in dem man sein Umfeld vielleicht auf falsche Darstellungen hinweist oder selbst Initiativen wie die Gründung von Berufskammern für die Pflege, die die Pflege ein ganzes Stück selbstbestimmter machen könnte, zu unterstützen und zu verbreiten.

Ich weiß natürlich, dass wir alle viel zu tun haben und gerade das Internet uns gerne von den wichtigen Dingen des Lebens ablenkt, dennoch bin ich dankbar für jeden, der auch diese Bereiche in seinen Möglichkeiten unterstützt und verbessert.

Familien in Gefahr? – Nachlese

Eine Woche ist es her, als ich das Video „Familien in Gefahr“ veröffentlicht habe. Ich hatte alle Prüfungen bei denen ich irgendwie präsent sein musste abgeleistet und ich hatte ein freies Wochenende. Nichts konnte mich aufhalten.

Dieses Thema brannte mir schon lange unter den Nägeln. Mich stört schon seit Jahren, dass zwar immer großspurig die hohe Bedeutung der Familie hochgehalten wird, sogar als Begründung gegen die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare herhalten muss. Doch bei näherer Betrachtung sind aber scheinbar nur die Familien von Bedeutung, die aus einem Vater, einer Mutter und ihren Kindern bestehen und gleichzeitig auf keinerlei Hilfe vom Staat angewiesen sind. Die mit nur einem Gehalt klar kommen oder zumindest auf private oder familiäre Betreuungsmöglichkeiten zurückgreifen können, ohne dabei dem Staat in irgendeiner Form zur Last zu fallen. Hinzu kommt, dass diejenigen, die Politik machen, nur eine Variante von Familie kennen (wollen). Franz Josef Wagner lieferte kürzlich ein famoses Paradebeispiel dazu ab (ich weigere mich diesen Beitrag zu verlinken!).

Aber Familie gestaltet sich nun mal sehr unterschiedlich, schon allein weil das Leben nicht geradlinig und schon gar nicht planbar verläuft. Und dennoch wird Familie so behandelt, als ginge kein Weg am „klassischen“ Familienmodell vorbei. Und damit wird das Leben vor allem denjenigen schwer gemacht, die diesem Bild nicht entsprechen – und die wenigsten haben sich diese Situation ausgesucht, sondern sind viel mehr reingeschlittert. Die Leidtragenden sind diejenigen, die Kinder groß ziehen und damit auch die Kinder selbst.

Ich möchte mich nicht dafür aussprechen, Familie nur und ausschließlich an vorhandenen Kindern zu messen, aber den Kindern zuliebe, sollte man bei familienpolitischen Entscheidungen wenigstens bei ihnen anfangen – unabhängig davon, in welchem Familienmodell sie aufwachsen. Unabhängig davon, ob sie bei beiden Eltern, nur bei einem Elternteil oder im Patchwork aufwachsen. Und vor allem unabhängig davon, welches Geschlecht die Eltern haben.

Weiterhin haben wir über die Akzeptanz verschiedener Familienmodelle hinaus noch ganz andere Baustellen in der Familienpolitik, da sei hier wiederholt die Situation der Hebammen erwähnt. Dieses Thema wird leider im Tagesgespräch sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl hier Geburtshelferinnen ins Aus gedrängt werden (hier sind überwiegend Frauen betroffen, aber das ist bestimmt nur Zufall), werdende Eltern in einer sehr elementaren Lebenssituation immer mehr auf sich allein gestellt sind, während wir gleichzeitig seit Jahren unsere niedrige Geburtenrate beklagen.

Familienpolitik muss an mehreren Fronten geführt werden und kann nicht allein auf den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare und das Trinken von Smoothies reduziert werden. Cheers!