Selbstversuche sind nicht nachhaltig

Am Wochenende trendete #armeleuteessen auf Twitter. Dabei ging es aber nicht um Gerichte, die schon zu früheren Zeiten als „Arme-Leute-Essen“ bezeichnet wurden. Es geht um den Selbstversuch des Magazins Biorama, das herausfinden möchte, wie „bio“ man sich ernähren kann, wenn man vom Existenzminimum lebt.

Prinzipiell ist es keine schlechte Idee, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wie gesunde und nachhaltige Lebensweise mit geringstem Einkommen zu vereinbaren sind, welche Möglichkeiten es gibt und wo die Grenzen sind. Geht man ein paar Schritte weiter, finden sich vielleicht auch neue Ideen Armut zu bekämpfen bzw. gesunde Ernährung auch den finanziell Schwächsten in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Das mit den Selbstversuchen ist aber immer so eine Sache und gerade dieser Punkt wurde auch stärksten diskutiert. Egal in welchem Bereich, ob es jetzt das Leben am Existenzminimum, in Obdachlosigkeit und/oder mit einer Behinderung ist. Als Nichtbetroffener erhält man lediglich einen minimalen Einblick in die Situation der Betroffenen. Der Erfahrungswert wird allzu leicht überschätzt. Es ist einfach was anderes, ob ich mich freiwillig einen Tag mit einem Rollstuhl bewege oder ob ich unter Umständen lebenslang gezwungen bin, mich mit einem Rollstuhl zu fortzubewegen, mit allen Hürden des Alltages.

Mit Armut verhält es sich nicht anderes. Armut ist ein Komplex, dass sich nicht darauf reduzieren lässt, wenig bzw. keine finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Es ist zu kurzsichtig gedacht, den Aspekt „Essen“ unabhängig von diesem Spektrum und nur in Bezug auf „wenig Geld“ zu untersuchen. Geschweige denn anhand des feststehenden Betrages, der in der Mindestsicherung rechnerisch für Essen vorgesehen ist. Denn Menschen, die von einer Mindestsicherung leben, sind genau wie alle anderen von ungeplanten zusätzlichen Ausgaben betroffen und oft ist das Essensbudget das einzige, wo Einsparungen möglich sind.

Auch das Essen lässt ist nicht einfach nur biologisch auf „Nahrungsaufnahme“ zu reduzieren. Essen und Trinken haben viel mit Tradition, Weltanschauungen und Wohlbefinden zu tun. Essen hat eine sehr große soziale Komponente und gerade das seelische Wohlbefinden hat einen großen Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Es ist nicht schwer die Verbindung zwischen Essen und dem Leben mit Existenzängsten und Stigmatisierung herzustellen, unabhängig davon ob vielleicht noch ein paar Euro für Bio-Lebensmittel übrig sind oder nicht.

Und ganz abgesehen davon, dass Lebenssituationen wie Armut sehr komplex und weitreichend sind: Warum ist es überhaupt notwendig, sich im Rahmen eines Selbstversuchs einen Einblick in diese Lebenssituationen zu verschaffen, wenn es doch genügend Menschen gibt, die mit diesen Lebenssituationen auch tatsächlich leben? Warum greift man nicht auf deren Erfahrungsschatz zurück, gibt ihnen den Raum darüber zu sprechen und nimmt sie dabei auch als Experten ihrer Lebenslage ernst?

Zum Abschluss habe ich für euch ein paar empfehlenswerte Links zum Thema:
Vom Luxus über #armeleuteessen zu fantasieren
Die Verachtung der Armen
Prolls, Assis, Schmarotzer – Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet (ein etwas längerer Podcast, aber er lohnt sich!)

McSelberdenken – vom Gesund-essen-können

Zugegeben, Essen ist kompliziert geworden. Mit dem Angebot an Lebensmitteln wurden auch die Ernährungsweisen vielfältiger. Da ist es nur logisch, dass die Menschen sich damit auseinandersetzen. Und weil es einen naheliegenden Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit gibt, ist es erst recht logisch, sich auch unter gesundheitlichen Aspekten damit auseinanderzusetzen.

Veganismus, Bio, der regionale/saisonale Einkauf am Wochenmarkt, all das gilt im Mainstream zur Zeit als gut und richtig. Und trotzdem, so stellte man kürzlich in der Welt fest, verbreitet sich das Übergewicht immer weiter, gerade unter Kindern und Jugendlichen. (Ich kann mir grad auch nicht verkneifen, zu fragen, ob es doch nicht gereicht hat, sich über den Trend zur gesunden Ernährung lustig zu machen.) Und da man Übergewicht sehr schnell mit Krankheiten asoziiert, haben wir als Gesellschaft natürlich allen Grund, wenigstens zu versuchen, dies zu verhindern.

Sehr beliebt ist dieser Tage die Forderung nach einem eigenen Schulfach. Aktionswochen á la „Gesundes Pausenbrot“ gibt es schon seit einigen Jahren. Es gibt natürlich auch andere Vorschläge und Ansätze wie z.B. die Lebensmittelampel oder den Veggie-Day in Kantinen. Bei solchen Vorschlägen kommt es immer sehr schnell zum Aufschrei, der Mensch sei in diesem demokratischen Staate doch ein freies, selbstbestimmtes Wesen.

Dieser Einwand hat natürlich seine Berechtigung. Das Recht auf freie Entfaltung ist im Grundgesetz verbrieft und damit auch das Recht auf ungesundes Essverhalten. Und damit gehe ich auch vollkommen d´accord. Allerdings frage ich mich: Wie frei und eigenverantwortlich können Entscheidungen getroffen werden, wenn die Informationen und Möglichkeiten in der Gesellschaft ungleich verteilt sind?

Es ist längst bekannte Tatsache, dass Gesundheit sehr stark von Bildung und Einkommen abhängt (worauf auch der verlinkte Artikel eingeht). Doch anstatt hier anzusetzen, verweist der Autor auf „selber denken“, kurz: der freie Mensch soll mit seinen Entscheidungen alleingelassen werden.

Du bist mit einem ungesunden Essverhalten aufgewachsen? Dein Problem!
Du kannst dir keine hochwertigen Lebensmittel leisten? Dein Problem!
Du musst aus Zeitmangel auf Fertiggerichte zurückgreifen? Dein Problem!
Dir hat nie jemand beigebracht Werbebotschaften zu hinterfragen? Dein Problem!

Es ist natürlich eine Gratwanderung. Wieviel kann man informieren, ohne zu sehr zu beeinflussen? Wie sehr greift man in die Entscheidungsfreiheit, wenn man Anreize schafft? Und wieviel Paternalismus steckt überhaupt schon in dem Gedanken, anderen zu erklären, was „die“ „richtige“ Ernährung ist? Wobei es „die“ richtige Ernährung bei sieben Milliarden Menschen mit unterschiedlichen Körpern und unterschiedlichen Stoffwechseln natürlich auch nicht geben kann.

Wollen wir aber die Frage nach der gesunden Lebensführung (die hört ja nicht beim Essen auf) zur alleinigen Privatsache machen, wenn viele Menschen gar nicht erst den Zugang zu einer gesünderen Lebensweise oder zum Wissen über gesündere Lebensweisen haben? Kann es mit der Aufforderung zum „Selberdenken“ getan sein, wenn Bildung und damit auch der Umgang mit Information ungleich verteilt ist?

Außerdem stellt sich mir noch eine ganz andere Frage: Wo beginnt eigentlich dieses „Übergewicht“? Ab wann ist Übergewicht tatsächlich ungesund und schädlich? Leben Übergewichtige überhaupt ungesund? Die Fragen lassen sich zur Zeit nicht allgemeingültig beantworten. In unserer Zeit herrscht das Ideal vom schlanken und sportlichen Menschen – inwieweit spielt dieses Ideal in unsere Wahrnehmung von „Übergewicht“ mit hinein? Mittlerweile setzen sich Frauen schon während ihrer Schwangerschaft mit Diäten auseinander, um nach der Geburt möglichst schnell die Schwangerschaftspfunde wieder loszuwerden – wie gesund kann das sein? Und wie gesund kann die öffentliche Wahrnehmung von „Übergewicht“ sein? Wie gesund kann es für übergewichtige Menschen sein, wenn sie immer und immer wieder auf ihr Übergewicht und etwaige Gesundheitsrisiken hingewiesen werden?

Machen wir uns nichts vor, es wird für dieses Dilemma nicht die eine, richtige Lösung geben. Wir werden uns auch hier wieder darüber im Klaren sein müssen, was wir wollen und wo wir in ein paar Jahren stehen sollen. Sowohl was die Freiheiten des Einzelnen angeht, als auch Verantwortung als Gemeinschaft füreinander.

Ein neues Praktikum

Ende Februar hab ich es offiziell gemacht:
Vegetarier im Praktikum

Ich esse nichts was ein Gesicht hat. Kein Fleisch, kein Geflügel, kein Fisch.

Mehr oder weniger zufällig ging der endgültige Schlussstrich mit dem Pferdefleisch-Skandal einher, allerdings habe ich bereits letztes Jahr meinen Fleischkonsum deutlich reduziert.

Davor habe ich mir kaum Gedanken um meine Ernährung gemacht, überwiegend standen Pfannengerichte und Fix-Beutel auf der Tagesordnung. Als alleinstehende Schichtarbeiterin war mir für’s richtige Kochen der Aufwand zu groß.

Selbst Lebensmittelskandale und die Bedingungen in denen Tiere gehalten werden, störten mich kaum. Jedoch kam irgendwann der Punkt an dem ich umzudenken begann, den Sinn der Fleischproduktion weltweit hinterfragte und über Reportagen über Mastbetriebe und Legebatterien stolperte.

Mir verging irgendwann der Appetit wenn ich beim Verzehr eines Schnitzels, an die fast industrielle Anfertigung von Kühen und Schweinen dachte und mit welchen Medikamenten sie gefüttert werden.

Ich änderte etwas, veränderte meinen Bezug zum Essen. Nahrung hält meinen Körper am Laufen, mir sollte bewusst sein, was ich zu mir nehme.

Durch meine Bekanntschaft mit Pseudoerbse kam ich mit der veganen Lebensweise in Berührung und war sehr fasziniert, wie vielfältig diese Ernährungsweise ist. Inspiriert durch weitere Blogs und Rezepte probierte ich einzelne Rezepte. Als ich nach meinem Umzug sogar noch zu einer richtigen Küche kam, machte mir das Kochen sogar noch viel mehr Spaß.
Ich finde es irgendwie bemerkenswert, dass ich mich trotz des Verzichts auf Fleisch, mich sehr viel abwechslungsreicher ernähre, als die Jahre davor.

Ich habe ein wenig mit mir gerungen, darüber zu schreiben, nicht weil ich befürchte es wäre uninteressant, mehr ob der Blüten, die die Diskussionen bezüglich pflanzlicher contra tierischer Nahrungsmittel treiben.

Nunja, andererseits kann ich mit diesem Artikel vielleicht Missverständnissen, wie: „Da Sie ja kein Fleisch mehr essen, habe ich Ihnen Lachssemmeln vorbereitet“ entgegenwirken 🙂