Wie ihr vielleicht wisst, lehne ich als Pflegekraft die Anrede „Schwester“ ab. Weil sie weder für das Berufsbild, noch für uns Pflegerinnen zeitgemäß ist.
Wenn eine Pflegerin auch auf offiziellen Anlässen nicht Frau X sein darf. #Pflege pic.twitter.com/cmictV93N4
— mauerunkraut (@mauerunkraut) 5. November 2016
Wir sind doch nicht mehr im Kloster!
Die Pflege hat sich bereits vor langer Zeit aus der Ordenstradition weiterentwickelt und entwickelt sich noch weiter hin zu einer eigenständigen Profession. Das gilt auch für die Pflegenden selbst, die kein Gelübde mehr ablegen und sich zum Großteil nicht mehr als aufopfernde Diener*innen für die Alten und Kranken verstehen. Sie bekommen für ihre Arbeit ein Gehalt und haben das Recht auf einen verbindlichen Dienstplan und geregelte Freizeit (eigentlich – in der Praxis sieht das bekanntermaßen häufig anders aus).
Es gibt keinen Grund mehr, an der Anrede „Schwester“ (die ohnehin nur für Frauen gilt) festzuhalten. Sie sind Pflegerinnen. Denn Pflege ist das was sie tun und das was sie gelernt bzw. sogar studiert haben. „Schwestern“ sind Ordensfrauen und Diakonissen und nur die sollte man meiner Meinung nach so anreden. Werden ja auch gerne als „richtige Schwester“ bezeichnet, wenn sie als solche in der Pflege sichtbar sind.
Für Männer ist es ganz selbstverständlich „Pfleger“ genannt zu werden, unter anderem weil die „Wärter“-Bezeichnung aus dem Kontext der früheren Psychiatrie-Pflege nun wirklich nicht mehr zeitgemäß ist. Warum sollte das nicht auch für die Frauen gelten?
Ironischerweise wird mir gerade von männlichen Kollegen erklärt, dass sie kein Problem mit der „Schwestern“-Anrede haben (ach, ach!).
Vertrauen oder Vertrautheit?
Und dann soll diese „Schwester“ angeblich Vertrauen in einer Pflegebeziehung vermitteln. Wenn diese „Schwester“ aber so wichtig ist, frage ich mich ob ausgebildete Pfleger kein Vertrauen aufbauen können, oder ob Frauen als ausgebildete Pflegerinnen kein Vertrauen genießen. Und geht es dabei wirklich um Vertrauen in meine Kompetenzen als Fachkraft oder reden wir hier nicht eigentlich von Vertrautheit, weil wir es einfach gewohnt sind Pflegerinnen als Schwestern zu bezeichnen?
Bei Sr. Vorname geht es schon lange nicht mehr um eine „intime Vertrauensbeziehung“. Ich nenn meine Gynäkologin auch nicht beim Vornamen.
— mauerunkraut (@mauerunkraut) 5. November 2016
Nur noch Pfleger
In journalistischen Berichten über die Pflege kommt die „Schwester“ immer seltener vor. Was ich sehr begrüße. Das ganze hat allerdings eine Kehrseite. Aufgrund der gängigen Praxis des generischen Maskulinums, ist mittlerweile nur noch von „Pflegern“ die Rede. Ich bin mir offen gestanden nicht ganz sicher, ob so auf Dauer nicht die Frauen als Fachkräfte unsichtbar gemacht werden. Abgesehen davon, wird damit auch keine Alternative zur „Schwester“ genannt. Hier weiß ich leider auch keinen anderen Rat, als die Sensibilität für inkludierende Sprache zu fördern und zum Beispiel von Pfleger*innen oder Pflegefachpersonen zu sprechen.
Legt diese antiquierte Anrede endlich ab!
Die allgemeine Berichterstattung ist das eine. Aber nachhaltige Veränderungen müssen wir selbst im Berufsalltag leben. Daher kann ich nur an meine Kolleg*innen appellieren: Stellt euch nicht als „Schwester X“ vor, sprecht nicht von „der Schwester“ sondern vielleicht von eurer Kollegin. Lasst den Titel weg oder stellt euch gleich mit dem Nachnamen vor – und glaubt mir, das macht was mit eurer Haltung und eurer Wahrnehmung auf andere. Und bislang habe ich sogar eher gute Erfahrungen damit gemacht. Selbstverständlich sollte man natürlich das Setting nicht aus dem Auge verlieren – in einigen Bereichen kann es ja tatsächlich sinnvoll sein, sich mit seinem Vornamen vorzustellen.
Aber es wird Zeit die „Schwester“ endlich abzulegen. Ich bin die Schwester meiner Brüder. Nicht die meiner Patient*innen.